Im Mittelalter war der Gambeson das universellste Element einer Rüstung. Ob als eigenständige Primärrüstung oder als Basis einer Kettenrüstung, der Gambeson war unverzichtbar. Dieser herausragende Stellenwert ist ihm im LARP, im Reenactment und im Schaukampf zu Recht erhalten geblieben.
Gambeson
Ob LARPer, Reenactor oder Schaukämpfer, wer sich leidenschaftlich für die militärischen Aspekte des Mittelalters begeistert und selber in die authentische Rolle eines Ritters oder eines anderen Charakters der Epoche schlüpfen möchte, muss an erster Stelle einiges Quellenstudium betreiben. Unser Bild vom Mittelalter bietet viel Raum für Fantasie und die individuelle Ausgestaltung der eigenen Persönlichkeit. Ein grundlegender Bezug zu historischen Fakten ist den meisten Enthusiasten trotzdem wichtig.
Denken wir an den mittelalterlichen Ritter, haben wir in erster Linie das Bild des in Metall gewandeten Kämpfers vor Augen. Dies liegt natürlich daran, dass diese Vorstellung durch ihre Einzigartigkeit einen besonderen Reiz hat. Es gibt aber auch ganz praktische Gründe: unser Wissen über den Ritter in voller Rüstung ist geschichtswissenschaftlich sehr weitreichend. Historische Dokumente und Bilder aus der Zeit des Mittelalters beschreiben vor allen Dingen diesen Idealtypus und etliche archäologische Funde und gut erhaltene Originale dienen als zuverlässige Anschauungsobjekte.
Deutlich schwieriger ist es bei Rüstungsbestandteilen, die zum einen weniger im Vordergrund standen, zum anderen die Jahrhunderte in weniger großer Zahl und weniger unbeschadet überstanden haben.
Der Gambeson ist eines dieser Rüstungsteile, über dessen Fertigung wir uns zwar weitgehend im Klaren sind und dessen Nutzen sich gut nachvollziehen lässt, das uns aber in Detailfragen immer noch vor kleine Rätsel stellt.
Trotzdem ist der Gambeson ein unverzichtbarer Bestandteil einer kompletten Rüstung und gleichzeitig, oft auch in Kombination mit einem Kettenhemd, der Beginn Deiner eigenen Verwandlung in Deinen historischen Charakter.
Mehr als ein Unterkleid
Die gebräuchliche Bezeichnung als einfache Textilrüstung mag sachlich korrekt sein, wird dem Gambeson aber kaum gerecht.
Der Gambeson präsentiert sich etwa ab dem 10. Jahrhundert in Europa sowohl als eigenständige Rüstung als auch als Rüstungsbestandteil. Vorläufer erkennen Historiker in den Lederjacken der Skythen, einem eurasischen Reiternomadenvolk, aus dem 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Größte Beliebtheit und Verbreitung genoss der Gambeson in Europa im 13. bis ins 15. Jahrhundert.
Die gesteppte Jacke, manchmal auch in der Ausfertigung eines Mantels, der bis zu den Knien reichen kann, wurde nach unterschiedlichen Fertigungsmethoden hergestellt, abhängig von der Art ihrer Verwendung.
Das Material der Wahl zur Herstellung eines im deutschen Sprachraum auch als Sarrock bekannten Gambesons war Leinen. Die Nutzung der Flachspflanze zur Textilherstellung ist den Menschen schon seit Jahrtausenden bekannt. Die aus ihr gewonnenen Naturfasern, zu Leinen verwoben, zeichnen sich durch zahlreiche positive Eigenschaften aus. Leinen ist belastbar, strapazierfähig und langlebig, gleichzeitig besitzt es einen hohen Tragekomfort, wirkt feuchtigkeitsabsorbierend und wärmeisolierend. Aufgrund der hohen Anforderungen an Flachsanbau und dessen Verarbeitung ist Leinen vergleichsweise teuer. Unsere große Auswahl an Gambeson besteht deshalb aus Baumwolle. Wie weit Baumwolle auch historisch in Europa in größerem Umfang zur Herstellung genutzt wurde, ist dagegen umstritten.
Als eigenständige Rüstung bestand der Gambeson aus mehreren Lagen Leinentuch und wurde auch unter dem Namen Aketon bekannt. Seine Fertigung aus bis zu 25 gesteppten Lagen machte diese Primärrüstung stabil und schützte ihren Träger vor Hieben, Schnitten und sogar vor leichtem Pfeilbeschuss. Im Gegenzug bot diese Ausfertigung nur wenig Tragekomfort, war steif und schränkte die Bewegungsfreiheit ein.
Der klassische Gambeson besteht jedoch nur aus zwei Lagen, die eine polsternde Füllung umgeben, welcher er auch die Bezeichnung als Polsterwams verdankt. Die Kammern, die sich durch Steppen der Tuchschichten ergaben, wurden mit Stoffresten, mit Rohbaumwolle oder auch mit Rosshaar gefüllt. Dadurch vergrößern sich Tragekomfort, Isolationwirkung und Dämpfung. Im Gegenzug schützt so ein klassischer Gambeson nur sehr begrenzt vor Schnitten und hat auch Stichen oder Pfeilspitzen wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil konnte die Steppung Stiche zusätzlich zu den Nähten lenken, an denen Innen- und Außentuch ohne Polsterung übereinander lagen.
Der Gambeson wurde zwar auch in der gepolsterten Ausführung als eigenständige Rüstung getragen und war vor allen Dingen bei einfachen Fußsoldaten mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten als Grundschutz im Feld beliebt, sein Wirksamkeit entfaltete er jedoch optimal in Kombination mit anderen Rüstungselementen, bei Rittern und anderen bewaffneten Reitern.
Der Gambeson wurde zum Beispiel unter dem Kettenhemd, selten auch über ihm getragen und bildete mit ihm eine optimale Kombination. Das Kettenhemd schützte zuverlässig gegen Schnitte und konnte auch Stiche und Pfeilspitzen begrenzt abwehren, die Wucht eines Schlags gab es dagegen ungedämpft weiter. Dem Gambeson kam die Aufgabe zu, diese Wucht abzufangen. Gleichzeitig war er ein wärmendes Kleidungsstück und verteilte die Last des Kettenhemdes gleichmäßig.
Auch in Verbindung mit einer Plattenrüstung erhöht der Gambeson vor allen Dingen den Tragekomfort. Eine etwas zu große Rüstung wird durch die Polsterwirkung fixiert und Scheuern oder Druckstellen werden zuverlässig verhindert. Als dünnerer Rüstwams oder Doublet dient das Unterkleid zur Befestigung und Fixierung von Teilen einer Plattenrüstung.
Dein Gambeson - treuer Begleiter in allen Lebenslagen
Bis etwa ab dem 15. Jahrhundert der Gambeson durch modernere Rüstungen wie Plattenrüstungen in seiner ursprünglichen Form überflüssig wurde oder damit begonnen wurde, Textilrüstungen gezielt mit Metallteilen "aufzurüsten", wodurch zum Beispiel die Brigantine und der englische Jack of Plates entstanden, war die reine Textilrüstung unverzichtbar und beliebt.
Noch heute ist jeder Charakter im LARP, im Schaukampf oder im Reenactment mit einem auch optisch sehr ansprechenden Gambeson gut gekleidet.
Grade wer in den verschiedenen Disziplinen noch am Anfang steht und die Investition in das erste eigene Kettenhemd oder eine andere Metallrüstung noch durchdenkt, muss sich mit einem Gambeson auf keinem Event als Außenstehender fühlen, sondern macht den ersten wichtigen Schritt.
Im Zeughaus findest Du eine große Auswahl an Gambesons in unterschiedlichen Formen, Farben und Größen, die sowohl als eigenständige Rüstung getragen werden können als auch langfristig mit Polsterzeug und weiteren Rüstungsteilen kombiniert werden können.
Als zweite Haut wird Dein eigener Gambeson so zum geschätzten Begleiter und macht aus seinem Träger ohne großen Aufwand und mit geringen Kosten einen anderen Menschen, aus einer anderen Welt, in einer anderen Zeit.